10. Februar 2008, 12 Uhr Mittag. Erneute stationäre Aufnahme in Traun wegen Rückfall. Physisch und psychisch am Ende, entschloss ich mich, nochmals eine Entwöhnung durchzumachen. Der „Griff“ zur Bierdose über einige Wochen hinweg hatte zur Folge, dass das Teufelchen Alkohol mich noch nicht losgelassen hatte. In den ersten Wochen war ich ständig den Tränen nahe. Schuldgefühle, depressive Stimmung und Selbstmitleid begleiteten mich Tag und Nacht. Die psychologische Untersuchung zeigte Defizite im Bereich der Merkfähigkeit - nun also auch noch das Gehirn „versoffen“!  Mein Selbstwert sank unter Null. Kreisende Gedanken und Selbstvorwürfe; „Alles hast du kaputt gemacht, deine Familie will nichts mehr von dir wissen!“ Mein Ehepartner sprach von Scheidung, meine Tochter verachtete mich und wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Verwandte, Bekannte und Freunde waren über mich entsetzt. Von allen Seiten hagelte es Vorwürfe! Nun stand alles auf des Messers Schneide. „Wie packe ich es an, vom Alkohol wegzukommen ?“, fragte ich mich.
In den ersten beiden Wochen der Entwöhnung fielen  mir ständig meine vormittäglichen Bierdosen ein. Ich sah sie vor meinem inneren Auge, ich hörte das Klicken des Verschlusses, nahm den Geruch und den Geschmack wahr und spürte förmlich die wohltuende, entspannende Wirkung. Diese Vorstellung löste in mir Angst und Panik aus. Ich wollte ja weg vom Alkohol und nun war er tändig in meinem Denken präsent! Was sollte ich dagegen tun? Ratlosigkeit u Therapiebeginn. Dann die ersten Basisgruppen und ganz plötzlich kam die Erkenntnis: Du hast nie mit dem Alkohol abgeschlossen! Tief im Innersten hast du dir ein „Hintertürl“ offengelassen. Eine ehrliche, aber befreiende Erkenntnis. Damit ein neuer Ansatz in meinem Denken: „ Ich brauche keinen Alk mehr !“
In der folgenden Basisgruppe fiel ein anderer Satz, der mich aufhorchen ließ: „Jede Krankheit bringt auch einen Gewinn.“ Wieder fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Meine Depression mit allen Begleiterscheinungen (Panikattacken,...), brachte für mich auch Vorteile. Durch die Therapien, eine neue Medikation (Antidepressiva) und durch die Nüchternheit war ich nun in der Lage, meine Situation zu analysieren und Veränderungen einzuleiten. Meinen mich ängstigenden Gedanken (Rückfall - wie geht es nun mit der Familie, am Arbeitsplatz, wie geht es überhaupt weiter) trat ich entschlossen entgegen. „Sich den Ängsten stellen“, meinte meine behandelnde Gruppenärztin. Sie hatte Recht. Wiederholt dachte ich nun an meine Bierdosen und beobachtete dabei mein Innerstes. Nach vielen inneren „Übungseinheiten“, verschwand die Angst bei den Gedanken an Alkohol. Ich konnte nun Bierdosen nicht nur in Gedanken, sondern auch in der Tankstelle, im Geschäft oder im Gasthaus ruhig, ohne Gusto (Craving) und ohne Wehmut betrachten.
Beim ersten Wochenendausgang fuhr ich mit dem Auto zu „meiner“ Tankstelle. Ich horchte in mich hinein: „Zieht es dich hinein? Brauchst du den Alkohol noch?“ In Gedanken ging ich hinein, zum Regal der Bierdosen. Kein Verlangen kam in mir hoch.  Kein rasches Einpacken in die große Handtasche. Körper und Geist blieben ruhig. Mein neues Motto: „Ich will trocken bleiben - Ich brauche keinen Alkohol mehr!“ Ein wunderbares Gefühl überkam mich. Hurrah, ich schaffe es!
Eine neuerliche Feuerprobe - alleine zu Hause. Meine Familie war auf Osterurlaub. Ich wusste, dass zwei Flaschen Bier im Kühlschrank standen. Mein Mann hatte die Angewohnheit, immer ein Flascherl Bier, gut gekühlt, auf Vorrat zu haben. Was macht eine Frau, wenn sie nach dreiwöchiger Kur nach Hause kommt? Putzen! Zwischenzeitlich hatten nämlich daheim nicht eine Bombe, sondern mehrere „eingeschlagen“. Ich putzte und werkte und war über mich entsetzt; so hast du deinen Haushalt „schleifen“ lassen ? Das „Belohnungsbier“ war nicht notwendig - viel Wasser und eine Zigarette taten es auch. Um meine Abstinenz weiter zu festigen, brauchte ich Vorbilder. Ich besuchte von Traun aus den GEA Club. Die Gespräche mit den abstinenten Frauen und Männern gaben mir die Kraft, an mir weiterzuarbeiten. „Selbstvorwürfe, ein Verharren in Schuldgefühlen oder gar Mitleid bringen dich nicht  weiter“, erklärte mir ein Mitglied. Es hatte Recht. Ich plante nun mein „neues“ Leben und dieses ohne Alkohol.
Zweieinhalb Jahre bin ich nun schon trocken. Einen kleinen Rückfall (zwei Dosen Bier) gab es kurz vor Weihnachten. Aber dies ist eine andere Geschichte, die ich euch später erzählen werde.

Silvia